Man kann jetzt auf St. Pauli in 58 Metern Höhe wandern. Möglich macht das eine Aufstockung unseres unter Denkmalschutz stehenden Hochbunkers aus dem zweiten Weltkrieg. Ich habe mich auf Hamburgs neuem Wahrzeichen umgesehen.
Vom Flak- zum Medienbunker
1942 haben mehr als 1.000 Zwangsarbeiter den größten Bunker Hamburgs mit vier Flaktürmen in 300 Tagen errichten müssen. Heute ragt der graue Koloss aus dem Amüsierbetrieb von St. Pauli als Mahnmal hervor und steht unter Denkmalschutz.
Dass der Bunker heute überhaupt noch steht hängt schlichtweg mit seiner Masse zusammen. Direkt nach Kriegsende hätte man die halbe Nachbarschaft mit in die Luft gesprengt und später wurde es mit geschätzten 50 Mio Euro Abrisskosten zu teuer. Also nutzte man die dicken Wände anfangs vor allem als Fernseh- und Tonstudios. Hier wurde 1952 die erste Tagesschau ausgestrahlt und nach und nach zogen immer mehr Medienunternehmen und Kulturbetriebe ein, darunter der Club Übel und Gefährlich oder das Ensemble Resonanz. Seit den 90er Jahren ist er deshalb auch als Medienbunker bekannt.
Und wie kommt der Bunker jetzt zu seinem aufgestockten grünen Dach und neuerlichem Outdoorwert?
Stadtpark in der Luft und Klimaforschungsprojekt
Gäste meiner Hamburgs Insider Tour kennen den Bunker und seine Baustelle in der Luft schon länger. Denn von der Planung bis zur Eröffnung hat auch dieses große Bauprojekt mit einiger Verspätung 10 Jahre gedauert.
2014 gab es die ersten Ideen um eine Bunkerbegrünung. Bis zum Baubeginn 2019 mussten allerhand Fragen, aber auch Einwände aus der Nachbarschaft diskutiert werden. Welche Pflanzen halten es in der Höhe aus? Wie hoch soll der Bunker werden? Darf man ein Mahnmal überhaupt verändern? Und nicht zuletzt: braucht Sankt Pauli noch eine weitere Touristenattraktion?
Gemeinsam mit der Nachbarschaftsinitiative Hilldegarden e.V. wurden Teile der öffentlichen Fläche gestaltet (darunter Urban Gardening Boxen, ein Lehrgarten und ein kleiner Zen Garten), aber vor allem der zentrale, neu geschaffene Gedenkort auf dem historischen Bunkerdach.
Mit der Begrünung wurde Lorenz von Ehren, Hamburgs älteste Baumschule beauftragt, die insgesamt 4.700 Bäume auf dem Bunker gepflanzt hat sowie 16.000 Stauden, Sträucher und Ranken. Das Konzept: ein immergrüner, struppiger Garten, der zum Gesicht des Stadtteils passt.
Langfristig begleitet wird der in Europa einmalige XXL Dachgarten und seine Auswirkungen auf das Stadtklima von Forschenden der TU Berlin.
Hotel, Sporthalle und Gedenkstätte
Besitzer des Bunkers ist übrigens nicht die Stadt Hamburg, sondern der Hamburger Investor Prof. Dr. Thomas Matzen, der mit seiner Matzen Immobilien GmbH seit 1993 ein Erbbaurecht besitzt. Nach eigenen Angaben wurden 60 Millionen Euro investiert.
So befindet sich unter dem grünen Dach ein Hotel der Hard Rock Kette, verschiedene Gastroangebote sowie eine große Event- und Sporthalle, benannt nach Georg Elser, einem Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Von der Gedenkstätte in den "Rockshop", das finde ich persönlich arg kommerziell. Da hätte ich mir lieber ein paar lokalere Angebote gewünscht, wenn aus dem ursprünglich geplanten "Künstlergästehaus" schon ein amerikanisches Hotel geworden ist.
Davon abgesehen finde ich es aber insgesamt gelungen, wie dem Bunker mit dem Bergpfad und Dachgarten neuer Freizeitwert geschenkt worden ist, der rundum tolle Ausblicke auf unsere Lieblingsstadt eröffnet. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, die Hamburgs Insider Tour ab sofort mit einem Rundgang auf den Grünen Bunker zu starten, wenn es nicht zu langen Warteschlangen kommt. Ihr erhaltet die genaue Location des Treffpunkts in eurer Buchungsbestätigung.
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